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Aufsichtspflicht der Eltern:

das Kind im Straßenverkehr

 

Nach Auffassung des Amtsgerichts München haben Eltern eines fünfjährigen Kindes nicht deshalb ihre Aufsichtspflicht verletzt, dass sie das mit dem Fahrrad fahrende Kind nicht ständig an der Lenkstange des Kinderrades festhalten (Urt.v. 19.11.2010, Az. 122 C 8128/10).

 

Über folgenden Fall hatte das Amtsgericht zu entscheiden: Eine Autofahrerin kam bei ihrer Parkplatzsuche an einem Kindergarten vorbei, vor dem einige Kinder mit ihren Fahrrädern standen. Eines dieser Räder stürzte um verschrammte die beiden linken Fahrzeugtüren des PKW. Diesen Schaden sollte der Vater der fünfjährigen Radlerin ersetzen, da er schließlich seine Aufsichtspflicht verletzt habe.

 

Das AG München hat dem Vater Recht gegeben und die Klage abgewiesen, da er seine Aufsichtspflicht nicht verletzt habe. Bei Kindern bestimme sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter und nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Insgesamt sei das zu tun, was verständige Eltern vernünftigerweise in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu vermeiden. Hinsichtlich einer Teilnahme am Straßenverkehr werde man zwar grundsätzlich davon ausgehen müssen, dass nichtschulpflichtige Kinder noch einer Aufsicht bedürfen. Beim Ausmaß der Aufsicht seien neben dem Alter des Kindes und der Erfahrung als Teilnehmer am Straßenverkehr auch die konkreten Straßenverhältnisse zu berücksichtigen.

 

Im vorliegenden Fall sei die Tochter bereits etwas über fünf Jahre gewesen und fahre seit ca. zweieinhalb Jahren Rad. Vorher habe sie bereits ein Jahr lang ein Laufrad gehabt. Die Strecke zum Kindergarten fahre sie ebenfalls seit zwei Jahren und zwar unfallfrei. Deshalb liege keine Pflichtverletzung darin, dass ihr erlaubt worden sei, eine gewisse Strecke alleine voraus zu fahren, zumal dieser Teil des Weges weitestgehend ein Geh- und Radweg sei, der nicht von Kraftfahrzeugen genutzt werden könne.

 

Es gehöre zu den Erziehungspflichten der Eltern, ihr Kind zu selbstständigen und verantwortungsbewussten Verkehrsteilnehmern zu erziehen. Dazu sei es nötig, Kindern gewisse Freiräume zu geben, die es ihnen ermögliche, Gefahrensituationen zu erkennen und zu meistern. Bei einem fünfjährigen Kind sei zudem zu berücksichtigen, dass es in naher Zukunft in der Lage sein sollte, den Schulweg zu bewältigen. Es sei daher in Ordnung, wenn Eltern ein derartiges Kind, dass sein Fahrrad beherrsche, kleinere Strecken, gerade auch auf wenig befahrenen Straßen alleine fahren zu lassen.

 

Außerdem sei das Fahrrad aufgrund eines Getümmels umgefallen, was der Vater auch nicht hätte verhindern können, wenn er in Sichtkontakt gewesen wäre. Man könne nicht verlangen, dass permanent ein Elternteil die Lenkstange des Kinderrades hält. Dies würde einer Gängelei des Kindes gleichkommen, die einer normalen Persönlichkeitsentwicklung hin zum selbständigen Verkehrsteilnehmer nicht dienlich wäre.

 

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Haftung Minderjähriger

 

Verursachen Minderjährige (unter 18 Jahre) einen Schaden, kommt sowohl eine Haftung des Aufsichtspflichtigen als auch eine Haftung des Kindes selbst in Betracht.

 

Bei einem Alter unter 7 Jahren haftet das Kind nicht. Im Alter von 7 bis unter 18 Jahren besteht volle Haftung des Kindes, wenn es die notwendige Einsichtsfähigkeit (sog. Deliktsfähigkeit) besitzt. Eine Besonderheit besteht bei der Haftung von Kindern im Straßenverkehr: hier tritt die Deliktsfähigkeit erst mit Vollendung des 10. Lebensjahres ein, es sei denn, das Kind hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

 

Wer kraft Gesetz (Eltern, Vormund) oder vertraglich (Lehrer, Kindergärtnerin) zur Aufsicht verpflichtet ist, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der Minderjährige einem Dritten widerrechtlich zufügt. Diese Ersatzpflicht tritt jedoch dann nicht ein, wenn der Aufsichtspflicht genüge getan wurde oder der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Aufsicht entstanden wäre.

 

Das OLG Brandenburg hatte nun über einen besonders tragischen Fall zu entscheiden (Urteil vom 25.02.2010, 12 U 123/09, rechtskräftig): Ein vierzehnjähriges Mädchen hatte mit drei weiteren Kindern unerlaubt in einer Scheune gespielt. Ein Junge im Alter von 13 Jahren, der unter Asthma litt, fiel beim Spielen zwischen zwei Heuballen, ein weiterer Ballen fiel auf ihn herauf. Den anderen Kindern gelang es nicht, den Heuballen wegzuschieben. Auch der Versuch, die Schnüre des Heuballens mit einer Schere zu durchtrennen, schlug fehl. Die Vierzehnjährige versuchte schließlich, die Schnüre mit dem Feuerzeug zu durchtrennen. Bei dem dabei ausbrechenden Feuer brannte die Scheune ab und der Junge kam zu Tode.

 

Die Landwirtin verlangte von dem Mädchen Schadenersatz in Höhe von rund 12.000 Euro. Die Haftpflichtversicherung der Eltern des Mädchens lehnte die Regulierung des Schadens ab. Das OLG verurteilte das Mädchen zur Zahlung.

 

Denn das Mädchen habe durch sein Verhalten das Eigentum der Klägerin geschädigt. Eine Lebensgefahr des verunglückten Jungens wegen seines Asthmaleidens konnte nicht festgestellt werden, so dass die Verwendung des Feuerzeugs auch nicht gerechtfertigt war. Denn der Junge habe sich durch Rufe mit den anderen Kindern verständigen können. Bei einer derartigen Sachlage hätte Hilfe von Erwachsenen herbeigeholt werden müssen.

 

Mit 14 Jahren sei das Mädchen auch für den von ihm verursachten Schaden verantwortlich. Es sei sich der Gefährlichkeit seines Tuns bewusst gewesen, weil es ein anderes Kind angewiesen habe, kleine Brandherde sofort auszutreten. Nach Auffassung des Gerichts hätte das Mädchen auf den nahe liegenden Gedanken kommen müssen, dass das Abbrennen der Schnüre gefährlicher gewesen sei als der Umstand, dass der asthmakranke Junge unter dem Heu gelegen habe. Die Landwirtin treffe angesichts dieses leichtfertigen Verhaltens kein Mitverschulden.

 

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Aufsichtspflicht der Eltern

(AG Coburg, Urt.v. 26.6.08 - Az. 11 C 1760/07)

 

Die Aufsichtspflicht von Eltern hat Grenzen. So müssen sie ihren knapp acht Jahre alten, mit seinem Fahrrad vertrauten Sohn nicht beaufsichtigen, wenn er mit dem Rad in einer Sackgasse im Umfeld der Familienwohnung unterwegs ist.

 

Weil Amts- und Landgericht Coburg diese Rechtsauffassung vertraten, scheiterte ein Autoeigentümer mit seiner Klage auf Schadensersatz in Höhe von fast 1.100 € gegen die Eltern. Dass der junge Radler gegen den Pkw gefahren war, führte nicht zur Haftung der Eltern wegen Aufsichtspflichtverletzung. Denn das Kind hatte genügend Erfahrung mit seinem Rad, um in dem verkehrsarmen Bereich vor der elterlichen Wohnung unbeaufsichtigt radeln zu dürfen. Der Kläger saß in seinem geparkten Pkw, der knapp achtjährige Sohn der Beklagten zog in der Sackgasse vor der Familienwohnung mit dem Kinderfahrrad seine Kreise. Plötzlich kam der Junge aus dem Tritt und prallte gegen die geöffnete Fahrertür des klägerischen Autos. Der Kläger behauptete einen Schaden in Höhe von fast 1.100 €, den er von den Eltern ersetzt haben wollte. Die hatten seiner Meinung nach ihre Aufsichtspflicht verletzt.

 

Das sah das Amtsgericht Coburg anders. Denn die Vernehmung von Zeugen ergab, dass der junge Radler schon mehrere Jahre in die Pedale trat, bereits längere Strecken zusammen mit der Familie zurückgelegt und dabei niemals Schwierigkeiten hatte, mit seinem Fahrrad zurechtzukommen. Deshalb durften die Eltern ihr Schulkind in der Sackgasse im Umfeld der Wohnung unbeaufsichtigt radeln lassen. Seine hiergegen eingelegte Berufung nahm der Kläger nach einem Hinweis des Landgerichts Coburg, dass es den Fall identisch beurteilt, zurück. Eltern haften eben nicht immer, wenn ihre Kinder etwas anstellen.

 

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Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht für siebenjähriges Kind

(LG Coburg, Urt.v. 17.6.08 - Az. 22 O 763/07)

 

Das LG Coburg hat sich mit der Frage befasst, ob die Eltern eines siebenjährigen Kindes dafür haften, dass ihr Sohn das gemietete Haus durch Zündeln in Brand gesteckt hat.

 

Das damals knapp sieben Jahre alte Kind hatte circa eine Stunde lang in seinem Kinderzimmer unbeaufsichtigt gespielt und dabei mit einem Feuerzeug gezündelt. Das hatte fatale Folgen, denn das von den Eltern angemietete Haus brannte weitgehend aus. Die Feuerversicherung des Vermieters erstattete ihm 147.000 €. Einen Teil davon, nämlich rund 51.500 €, wollte sie sich von der Haftpflichtversicherung der Eltern wiederholen. Die aber war der Ansicht, den Eltern sei kein Vorwurf zu machen.

 

Das LG Coburg hat eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern abgelehnt. Sie hatten das Kind eingehend über die Gefahren von Feuer aufgeklärt, regelmäßig das Kinderzimmer aufgeräumt und die Kleider vor dem Wäschewaschen auf Gegenstände durchgesehen, ohne dass sie jemals auf Zünd(el)mittel gestoßen wären. Noch mehr Kontrolle war nicht zu verlangen. Es war auch nicht zu beanstanden, dass das Kind längere Zeit unbeaufsichtigt in seinem Zimmer spielen durfte. Nach Ansicht des Gerichts wäre alles andere völlig lebensfremd und Eltern auch bei Anlegen eines noch so strengen Maßstabes nicht zumutbar. Wie die Beweisaufnahme zudem ergab, hatte es sich bei dem Feuerzeug nicht um eines aus dem Haushalt der Eltern gehandelt, so dass ihnen auch keine unsorgfältige Aufbewahrung von Feuerzeugen/Streichhölzern anzulasten war.

 

Das Urteil ist rechtskräftig.

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Aufsichtspflicht und Haftung

 

Zu den elterlichen Pflichten im Rahmen der „Personensorge" für ihre Kinder gehört die Beaufsichtigung. Ob Eltern ihr Kind ausreichend beaufsichtigt haben, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalles und wird bei einem Schadensfall durch das Gericht geklärt.

 

Strafrechtlich verfolgt wird die Verletzung der Aufsichtspflicht nur dann, wenn dadurch das zu beaufsichtigende Kind oder ein Anderer schwer verletzt oder getötet wurde. Dann muss die Verletzung der Aufsichtspflicht von der Staatsanwaltschaft nachgewiesen werden.

 

Der Geschädigte selbst kann in einem Zivilprozess auf Schadenersatz klagen. In diesem Fall muss der Aufsichtspflichtige nachweisen, dass er seine Pflichten nicht verletzt hat. Eltern können beispielsweise den Kindergarten verklagen, wenn ihr Kind dort zu Schaden gekommen ist.

 

Kinder, die das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können für Schäden, die sie verursachen, selbst nicht haften. Für diese Schäden haftet die Aufsichtsperson, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hat. Ältere Kinder (und Jugendliche) haften nur dann nicht, wenn ihnen die nötige Einsicht in ihr Tun fehlte.

 

Für Unfälle im Straßenverkehr gibt es jedoch eine wichtige Ausnahmeregelung:

 

Bei fahrlässig herbeigeführten Unfällen mit Kraftfahrzeugen sind Kinder seit dem 1. August 2002 erst ab 10 Jahren haftbar. Bei jüngeren Kindern wird davon ausgegangen, dass ihnen die nötige Einsicht fehlte, da sie aufgrund ihrer psychischen und physischen Fähigkeiten noch nicht in der Lage sind, Situationen und Gefahren im Straßenverkehr zu verstehen und richtig einzuschätzen. Das Kind haftet allerdings dann, wenn es einen Schaden vorsätzlich verursacht, z.B. wenn es Steine gegen ein Auto wirft.

 

Eltern können ihre Aufsichtspflicht zeitweise auf andere Personen übertragen. Diese müssen aber die Gewähr dafür bieten, dass sie der Verantwortung auch gewachsen sind, was bei nur unwesentlich älteren Geschwistern z.B. nicht der Fall ist.

 

Durch die Anmeldung eines Kindes in einer Kindertagesstätte übernimmt der Träger - und in dessen Auftrag das Tagesstättenpersonal - für die Zeit des Aufenthaltes die Aufsichtspflicht. Die Aufsichtspflicht der Kindertagesstätte beginnt - soweit nichts anderes vereinbart ist - mit dem Betreten des Grundstücks oder des Gebäudes. Für Kinder, die vor Öffnung der Tagesstätte bereits kom­men, sind jedoch die Eltern verantwortlich. Die Aufsichtspflicht der Tagesstätte endet, wenn das Kind den Eltern oder einer anderen von den Eltern benannten Person übergeben wird. Das Kind darf jedoch niemandem übergeben werden, der es allem Anschein nach nicht ausreichend beaufsichtigen kann [z.B. betrunkene Person). Wenn ein Kind nicht abgeholt wird, darf es nicht alleine nach Hause geschickt werden.